Keine Angst vor fundamentalen Informationen

Fakten statt Infotainment

Das Fernsehen als Medienquelle hat für uns Wirtschaftsinteressierte längst ausgedient. Neben Nachrichten und den selten guten Magazinen (die man in der Regel sowieso verpasst), gibt es kaum mehr was Sehenswertes. Nur wenn man gezielt nach einem Programm sucht, kann man etwas finden. Doch wer macht das schon heute in einer Welt, in der man jede interessante Doku ohne Probleme streamen kann? Ein Gastbeitrag von David Iusow.

Dennoch kann es besonders in der Ferienzeit vorkommen, dass man sich länger als sonst vor dem Kasten aufhält, weil entweder die Familie das tut oder man einfach abschalten möchte. Distanz gewinnen ist für Börsenfreaks wichtig. Dazu eignet sich manchmal auch ein Fernsehabend mit Themen abseits der Börse und Wirtschaft.

Ich persönlich schaue mir gerne Stand-Up Comedy an, wenn denn gerade etwas in der Richtung läuft. Und so sind ich und meine Frau beim Zappen bereits das zweite Mal in Folge, zufällig bei Dieter Nuhrs Jahresrückblick hängengeblieben. Eine Aussage des oft wirtschaftspolitisch orientierten Comedians, fand ich besonders treffend. Er sagte ungefähr folgendes:

„Die Welt ist nicht gefährlicher als vor 30 Jahren geworden. Auch damals herrschten Konflikte und Risiken aller Art auf der Welt. Der Unterschied ist, dass heutzutage jeder die Information dazu besitzt“

Mich hat die Aussage, so simpel sie auch ist berührt, denn ich begann sofort darüber nachzudenken, was vor dreißig oder noch mehr Jahren gewesen ist. Und tatsächlich fiel mir einiges ein, was den heutigen Risiken im Grunde genommen in nichts nachsteht.

Damit kam ich wie Dieter Nuhr zu der Schlussfolgerung, dass Medien unsere Empfindungen und Wahrnehmungen stark beeinflussen. Natürlich kann ich nicht sagen, wie die Empfindungen der Menschen damals waren. Ich weiss nur, dass es manche Dinge gibt, die man anders bewerten sollte.

Informationsparadoxon die zweite

Lange Rede, kurzer Sinn: Diese Erkenntnis ist natürlich nicht neu. Sie wird vor Allem im technischen Trading berücksichtigt. Die gängige Aussage ist, dass zu viele Informationen eine Überlastung und Reizüberflutung hervorrufen, was sich schlussendlich auf das emotionale Empfinden auswirkt und damit unsere Entscheidungen negativ beeinflusst.

In seinem Beitrag Grenzen der Chartmalerei, geht Herr Aschoff auf das Informationsparadoxon ein. Im Grunde genommen, sagt das Paradoxon aus, dass zu viele Informationen den Betrachter überfordern anstatt ihn zu informieren. Was viele Anfänger übersehen und was der Beitrag deutlich macht ist, dass es nicht nur für geschriebene Informationen gilt, sondern auch für grafische, also visuelle.

So kann selbst ein markttechnisch orientierter Trader sein Chart mit unnötigen Linien und Indikatoren überfrachten, mit Hilfe verschiedener Farben gestalten und am Ende diesen anstatt als Bewertungswerkzeug, als sein eigenes Kunstwerk betrachten. „Sieht sehr schön aus, hast du jut gemacht.“

Es ist daher auch verständlich, warum die meisten erfahrenen Trader am Ende wieder bei der simplen Struktur des Charts angelangen, denn alle Informationen, die sie brauchen bekommen sie auch ohne die Chartmalerei. Sie haben im Laufe der Zeit gelernt zu selektieren.

Selektion mit Hilfe der Preise selbst

Dasselbe gilt im Grunde genommen auch für fundamentale Informationen. Nur, dass es im Falle von geschriebenen Infos viel schwieriger erscheint Selektion zu betreiben. Das Ergebnis: Man verzichtet ganz darauf mit der Begründung, man würde die Auswirkungen auf den Markt sowieso nicht einordnen können, da man kein VWL-Studium absolviert hat und wenig von Unternehmensbewertung versteht. Das ist grundsätzlich eine falsche Annahme.

Denn genauso wie der technische Analyst basierend auf Erfahrungen eine Zeit lang braucht um das Chart richtig lesen zu können, sind auch geschriebene Informationen nach einer gewissen Weile sehr wohl in wichtig und weniger wichtig unterscheidbar.

Notwendig ist dazu der zeitnahe Abgleich mit der Price-Action (Price-Action beschreibt das Preisverhalten, Dynamik). Und dazu stellt sich der Preis selbst als Selektionswerkzeug erster Güte dar.

Das heisst, bevor man sich überhaupt Gedanken darüber macht, ob man die Information einordnen kann oder nicht, sollte man sich lieber live anschauen, welche Auswirkungen sie auf den Markt hat. Wenn ersichtlich wird, dass der Markt eine Information für wichtig hält, könnte man sich diese näher anschauen, darüber lernen und dementsprechend beim nächsten Mal einordnen. Man selektiert also noch bevor man überhaupt dazu kommt sich weiteres Wissen anzueignen.

Zugegeben. Das ist eine Methode, die anfangs nicht immer das fachgerechte Verständnis fördert. Sie sorgt zumindest aber dafür, dass man sich in die Materie einliest und die Informationen für wichtig hält, die auch der Markt für wichtig erachtet. Gibt es einen besseren Mentor als den Markt selbst? Im Laufe der Zeit kann diese Methode dazu führen, dass sich Wissenslücken von alleine schließen.

Beides in Einklang bringen

Die nächste Stufe, die ein Investor oder mittel-bis langfristiger Trader erreichen könnte ist es, den Einklang zwischen den beiden Methoden herzustellen. Wenn man die technische Analyse und fundamentale Parameter nicht als bereits vorhandene unabhängig voneinander existierende Strategien betrachtet, sondern als reine Informationsquellen. Und sollte man die Selektion in beiden Fällen gelernt haben. So kann eine Strategie basierend auf diesem Einklang entwickelt werden.

So ist es beispielsweise gängige Praxis vieler erfahrener Investoren auf der einen Seite fundamental zu bewerten, den Einstieg sowie das Risikomanagement hingegen über die technische Analyse zu steuern. Dabei stellt sich die technische Analyse nicht mehr als Bewertungskriterium dar, sondern als zusätzliches Werkzeug. Sie ist damit nicht die alleinige Grundlage für Entscheidungen. Die pauschale Kritik, die von beiden Lagern gegenüber jeweils dem anderen ausgeht, ist in diesem Fall nicht haltbar. Man macht sich einfach beide zunutze.

Es funktioniert

Das Informationsparadoxon wird uns noch eine Weile verfolgen, denn je schneller die Verbindungen werden, desto schneller und kürzer werden die News sein. Das wiederum bedeutet, dass die Qualität der Informationen weiterhin dem Überfluss weichen wird.

Wichtig ist es sich selbst immer bewusst zu werden, dass das Marktverständnis, nicht auf diesen kurzweiligen Informationen basieren kann, sondern auf dem Erkennen von Zusammenhängen. Diese Zusammenhänge werden hingegen nur dann erkannt, wenn tiefergehende Kenntnisse vorhanden sind.

Wer gute Chancen an der Börse erkennen will, und zwar besser als andere muss diese Zusammenhänge verstehen. Spätestens dann, wenn man in dieser Hinsicht den ersten Aha-Effekt erlebt hat, wird man wissen, dass es funktioniert.

Viel Erfolg!

David Iusow ist erfahrener Futures-Trader, Research-Analyst und Berater. Neben seinen Leistungen, die er über www.2i-services.com anbietet, veröffentlicht er in seinem Blog regelmäßig kostenfreie Markteinschätzungen.

1 Kommentar