Angesichts der hohen Steigerungsraten des Bruttosozialprodukts und Kursexzesse an den Märkten verwundert es nicht, dass immer wieder vor einer gigantischen Bubble im Reich der Mitte gewarnt wird. Jetzt wo die chinesische Regierung auf die Wachstumsbremse tritt und die großen Banken angewiesen hat, im Januar keine weiteren Kredite zu vergeben, werden die Stimmen der Warner lauter. Platzen bald die Träume der China-Optimisten? Handelt sich wirklich um eine Bubble, die den Börsen Ungemach bringt und den Exitus der wirtschaftlichen Aufholjagd bedeutet?
Ich meine nein. Zwar gibt es unübersehbare Übertreibungen, aber von einer Bubble zu sprechen ist viel zu früh. Lassen Sie mich meinen Gedankengang kurz mit drei Argumenten begründen:
- Technologie- und Know-how-Substitution: China steht erst am Anfang überholte heimische Technologien und Verfahrensweisen durch effizientere westliche Technologien und Know-how zu ersetzen. Stellen Sie sich einen Bauern vor, der mühsam mit Ochse und Pflug sein Feld bestellt. Was könnte er dagegen mit modernsten landwirtschaftlichen Geräten erreichen? Schon der Einsatz modernster Traktoren würde ein Produktivitätswunder auslösen. Solange der Produktivitätszuwachs durch Adaption fortschrittlicher (westlicher) Technologien gespeist wird, ist eine Bubble unwahrscheinlich.
- Der Basiseffekt: die prozentualen Wachstumsraten dürfen nicht allein für sich betrachtet werden. Mindestens genauso wichtig ist die absolute Höhe der betrachteten Größe. Zwar hat die Wirtschaftskraft relativ betrachtet stark zugenommen, aber absolut ist bei einer Milliardenbevölkerung noch reichlich Luft nach oben.
- Der Exponentialeffekt: Im Gegensatz zu linearen Prozessen sind exponentielle Wachstumsraten durch eine multiplikative Zunahme gekennzeichnet. Der Zinseszinseffekt ist ein populäres Beispiel. Die Zunahme verläuft ab einem bestimmten Zeitpunkt „explosiv“. Erst in dieser Beschleunigungsphase ist mit einer Bubble und extremen Verwerfungen insbesondere an den Rohstoffmärkten zu rechnen (dazu gleich mehr).
Es gehört nicht viel Fantasie dazu sich vorzustellen, dass eine wachsende Milliardenbevölkerung einen steigenden Konsum nach sich zieht, der wiederum Unternehmen und Wirtschaft beflügelt. Kehrseite der Medaille ist der unweigerlich damit verbundene Rohstoffverbrauch.
Abbildung: Steigendes Wachstum führt zu erhöhtem Rohstoffverbrauch, solange keine wirtschaftlicheren Technologien oder Substitute den Effekt überkompensieren. Quelle: Prosperity without growth, Tim Jackson 2009; Aquila Capital
Die obige Grafik zeigt den Zusammenhang zwischen Bruttosozialprodukt und Rohstoffbedarf. Demnach scheint selbst eine effizientere Ressourcennutzung dem zunehmenden Verbrauch keinen Abbruch zu tun. Was in der Grafik recht unspektakulär aussieht, birgt für die kommenden Jahrzehnte eine gehörige Portion Sprengstoff. Steigt das Welt-Bruttosozialprodukt weiter an, ohne das der Ressourcenverbrauch durch bessere Technologien und neue Verfahren kompensiert werden kann, droht ein Versorgungsengpass wie wir ihn uns heute nicht vorstellen können.