Börsenstimmung

Sentiment & Contrary Opinion

„Wenn sich alle Experten einig sind, ist Vorsicht geboten.“ (Bertrand Russell)

Immer wenn die Unsicherheit an den Börsen besonders groß ist und die klassischen Hilfsmittel zu versagen drohen, hat die Psychologie bei den Börsianern Hochkonjunktur. Mit Hilfe von Sentimentindikatoren wird die Stimmung von Meinungsmachern und einflussreichen Marktteilnehmern gemessen. Anhand des vorherrschenden Optimismus bzw. Pessimismus werden Prognosen abgeleitet, ob die Kurse eher steigen oder fallen werden.

Die Mauer der Angst

Die meisten Sentimentindikatoren werden als Kontraindikatoren nach der Theorie der „Contrary Opinion“ angewendet. Hinter dieser These stehen ein paar einfache Überlegungen. Danach liegt die Mehrzahl der Marktteilnehmer immer falsch. Die Finanzgemeinde neigt dazu, einen Trend durch ihre prozyklische Haltung zu verstärken. Analysten gehen ein geringeres berufliches Risiko ein, wenn sie Aktien in einem Aufwärtstrend nur zum Kauf empfehlen, selbst wenn ein gegenteiliges Urteil ratsam wäre. In diesem Falle gilt: Die Kurse machen die Meinung und nicht umgekehrt. Nach der Contrary Opinion ist es ratsam, eine gegenteilige (antizyklische) Position einzunehmen, wenn nur noch eine (extreme) Meinung vorherrschend ist („Kursziel Dow 100.000“ oder „Tod der Aktie“).

Von Bullen und Bären

Für die eigene Anlagestrategie hat das folgende Konsequenzen: Wenn es nur noch Optimisten (Bullen) gibt und die Pessimisten (Bären) fast ausgestorben sind, dann ist es an der Zeit, sich eine antizyklische (hier: bärische) Strategie zu überlegen. Je höher das Stimmungsbarometer steigt, umso größer ist die Gefahr eines Umschwungs. Denn jeder Optimist wird investiert sein und wartet aufgrund der guten Stimmung und ausgezeichneten Perspektiven (Euphorie?) auf den nächsten Kursanstieg. Doch woher soll der kommen, wenn fast alle investiert sind?

Erst wenn die Stimmung kippt (nicht vorher), ist es an der Zeit, die Seiten zu wechseln. Extreme Optimisten- bzw. Pessimistenquoten reichen nicht aus für eine antizyklische Positionierung. Solche Phasen können wesentlich länger dauern, als es einem lieb ist. Die letzte Aktienhausse ist ein Beispiel dafür, dass Übertreibungen mehrere Jahre existieren können, bis die Realität wieder Einzug hält.

In Amerika werden schon seit Jahrzehnten Stimmungen gemessen. So veröffentlicht das bekannte Anlegermagazin Barrons die Zahlen der American Association of Individual Investors (AAII Index) sowie der Informationsdienste Market Vane und Investor’s Intelligence.

Index der American Association of Individual Investors (AAII)

Der AAII ermittelt die Stimmung verschiedener Marktteilnehmer (Individuen) in den USA. Die Anzahl der Bullen (obere Linie) übertrifft die der Bären bei weitem. Wann läuft diese Schere wieder zusammen?

Market Vane

Market Vane analysiert die Empfehlungen von Analysten und Marktbeobachtern in den USA.

Investor‘s Intelligence

Investor´s Intelligence wertet die Empfehlungen von Börsenbriefen in den USA aus. Dieser mittelfristige Sentimentindikator ist auch in Europa recht bekannt.

Nasdaq 100 Bullish Percent Index

Der Nasdaq 100 ist ein guter Indikator für die Teilnahme des Gesamtmarktes an bedeutenden Marktbewegungen, da er die „Large Cap´s“ (z.B. Microsoft und IBM) enthält.

Put/Call-Ratio

Das Put/Call Ratio ermittelt die Anzahl der gehandelten Optionen und setzten sie zueinander ins Verhältnis. Eine hohe Ratio ist somit Ausdruck von Angst, während niedrige Werte Zuversicht ausdrücken.

Der QQQ

Der QQQ ist eine Indexaktie auf den Nasdaq 100. Er wird in Amerika von den großen Anlegern stark beachtet. In dem Chart sehen wir einen deutlichen Kursanstieg des QQQ vor dem Hintergrund einer Sorglosigkeit der Marktakteure.

Volatilitäten

Volatilitäten (beispielsweise auf den DAX=VDAX, den S&P=VIX und die NASDAQ=VXN) messen die Schwankungsbreite eines Handelsobjektes und haben einen ähnlichen Signalcharakter wie Put/Call Ratios.

Beispiele von weiteren Sentimentindikatoren für Deutschland:

  • ifo-Geschäftsklima-Index (Befragung von etwa 7000 Unternehmen)
  • Deutsche Börse AG (Befragung 300 „aktiver“ Marktteilnehmer)
  • Sentix (Befragung von etwa 1.000 Marktteilnehmer)
  • animusX