Wie wirkt sich ein einzelner Verlust auf das gesamte Kapital aus?
Es ist ein großer Unterschied,
- ob ich bei einem Einzeltitel fünf Prozent von der Hälfte meines Gesamtkapitals verliere,
- oder zwanzig Prozent von fünf Prozent des Gesamtkapitals.
Im ersten Fall habe ich das Stop-Loss zwar sehr eng gesetzt, aber durch die hohe Depotgewichtung insgesamt 2,5% des Gesamtkapitals verloren. Das ist eindeutig zuviel.
Im zweiten Fall ist der Verlust des einzelnen Engagements prozentual höher, aber durch die geringere Depotgewichtung verliere ich nur ein Prozent des Gesamtkapitals.
Die 1%-Regel
Riskieren Sie mit einer Position niemals mehr als 1% des Gesamtkapitals, eher weniger. Selbst erfahrene Trader erhöhen den Faktor nur extrem vorsichtig. Die Regel hat einen angenehmen Nebeneffekt. Mit ihrer Hilfe lässt sich die maximale Positionsgröße je Einzeltitel bestimmen. Dahinter steht die Überlegung, umso weniger Kapital einzusetzen, je weiter der Stopp vom Einstandskurs entfernt ist.
Wie gehen wir dabei vor? Zunächst wird das maximale Risiko je Einheit (Stop-Loss) bestimmt. Dann wird in Abhängigkeit vom gewählten Stoppkurs der maximale Kapitaleinsatz bestimmt, sodass höchstens 1% des Gesamtkapitals gefährdet ist.
Angenommen unser Beispielanleger möchte Nestle erwerben. Da er an langfristigen Trends interessiert ist, beobachtet er die Wochenschlusskurse. Der Chart ist entsprechend eingestellt. Die gleichmäßige Linie ist der 40 Wochen Durchschnitt (5 Tage x 40 Wochen = 200 Tage gleitender Durchschnitt). Unser Anleger entschließt sich zum Kauf, wenn Nestle die gestrichelte Abwärtstrendlinie überwindet. Um einen Fehlausbruch zu vermeiden, muss die Aktie deutlich höher schließen. Schließlich ist es soweit.
Abbildung oben: Gewinnpotenzial abschätzen, Risiko definieren, Kapitaleinsatz bestimmen und los geht’s. Quelle: Aschoff, Kostbares Wasser, FinanzBuch Verlag. Der Chart wurde erstellt mit Market Maker.
Er erwirbt Nestle zu 336,- CHF je Aktie (im Rechteck). Sofort danach geht der Kurs zurück. Ein typischer Pullback an die gestrichelte Abwärtstrendlinie. Das beunruhigt unseren Anleger nicht, da er vorher sein maximales Risikopotential definiert hat. Bei einem Aktiendepot mit 50.000 CHF Gesamtvolumen darf er nicht mehr als 500 CHF je Position riskieren (1% von 50.000 CHF). Berechnen wir nun die maximale Positionsgröße in Abhängigkeit vom Risikobudget je Aktie.
Fall 1 – Risiko A
Der Anleger schätzt Nestle als konservatives Investment ein und wählt deshalb einen relativ engen Stopp. Den Initialstopp (erster Stopp beim Eingehen der Position) setzt er bei 311 CHF (waagerechte Linie Risiko A) an einem markanten Zwischentief unterhalb der gebrochenen Abwärtstrendgeraden. Das Stop-Loss liegt 7,44% unterhalb des Einstandskurses. Je Aktie kann er 25 CHF (336 – 311 CHF) verlieren. Insgesamt darf er bei dem definierten Risikoprofil 20 Nestleaktien erwerben (500 CHF / 25 CHF). Das entspricht einer Kaufsumme von 6720 CHF (20 x 336 CHF), also 13,44% des Gesamtdepots.
Fall 2 – Risiko B
In diesem Fall schätzt er das Risiko höher ein und gesteht der Aktie eine größere Schwankungsbreite zu. Den Initialstopp setzt er deshalb tiefer bei 280 CHF (waagerechte Linie Risiko B), ebenfalls an einem markanten Zwischentief. Das Stop-Loss liegt 16,67% unterhalb des Einstandskurses. Je Aktie kann er 56 CHF (336 – 280 CHF) verlieren. Insgesamt darf er bei dem definierten Risikoprofil abgerundet 8 Nestleaktien erwerben (500 CHF / 56 CHF = 8,93 Stück, grundsätzlich abrunden). Das entspricht einer Kaufsumme von 2688 CHF (8 x 336 CHF), also 5,38% des Gesamtdepots.
In beiden Szenarien zieht unser Anleger die Stopps entsprechend der Kurssteigerungen nach (andere waagerechte Linien). So partizipiert er bis heute von dem schönen Aufwärtstrend. Trotz unterschiedlicher Risikoeinschätzung wird in beiden Fällen maximal 1% des Gesamtkapitals gefährdet. Durch diese elegante Vorgehensweise optimieren Sie die Positionsgrößen in Abhängigkeit vom Risiko. Wenn Sie diese Technik verinnerlichen, erhöhen Sie die Überlebens- und Gewinnchancen an der Börse erheblich. Das beweist nicht nur die tägliche Praxis, sondern ebenso empirische Studien.
Quelle: Aschoff, Kostbares Wasser, FinanzBuch Verlag