(Das Interview wurde am 8. Januar 2006 geführt und auf www.goldseiten.de veröffentlicht)
Zwanzig Jahre Börsenbegeisterung und über zehn Jahre professionelle Tätigkeiten im Investmentbereich zeichnen den Diplom-Kaufmann Heiko Aschoff aus. Aufgrund seiner Mitverantwortung über ein Anlagevolumen von über 6 Milliarden Euro verfügt er über reichliche Einblicke in die Aktionen der großen Spieler am Finanzmarkt. Er ist neben seiner Tätigkeit als Portfoliomanager auch noch als freier Publizist, Privatdozent, Buchautor und wöchentlicher Kolumnist tätig. Seit 1998 betreibt er das erfolgreiche Finanzportal Value-Stocks.com, durch dessen hochprozentige Musterdepots er immer wieder für Aufsehen sorgt.
V. R : Herr Aschoff, wie würden Sie das aktuelle Umfeld an den Finanzmärkten beschreiben?
H. Aschoff: Letztes Jahr hatten wir eine traumhafte Konstellation für Anleger: In nahezu allen Marktsegmenten konnten relativ leicht gute Gewinne erwirtschaftet werden. Das wird nicht so bleiben. Ich rechne bereits in diesem Jahr mit einem Anstieg der Volatilität, bevor es in 2007 richtig zur Sache geht.
V.R.: Sie sind ja nun prinzipiell bullisch für Aktien eingestellt. Was halten Sie von Analysetechniken wie der Dow/Gold-Ratio, die auf eine klare Outperformance zugunsten der Edelmetalle/Rohstoffe gegenüber Aktien in den kommenden Jahren hinweisen?
H.A.: Ich verwende gerne Ratio´s. Sie zeigen mir sehr schnell welche Märkte oder Handelsobjekte man kaufen sollte, und welche man besser meidet oder leerverkauft. Bei langfristigen Betrachtungen helfen sie mir, die Primärtrends aufzuspüren auf die es wirklich ankommt. Bei der Vielfalt der heute verfügbaren Informationen besteht sonst die Gefahr, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen. Das Nachrichtengetöse und die Medienmaschinerie lenken den Anleger schnell vom Wesentlichen ab. Kurzum, ich halte solche Techniken für ein äußerst wertvolles und leicht anwendbares Analyseinstrument auf das ich nicht verzichten möchte.
Die von Ihnen angesprochene Dow/Gold-Ratio ist mir natürlich bekannt. Die Dow/CRB-Ratio (stellvertretend für den Rohstoffsektor) sieht ähnlich dramatisch aus. Demnach müsste man alle seine „klassischen“ Aktien verkaufen und in Rohstoffe umschichten. So weit würde ich aber nicht gehen. Ein wenig Streuung sollte schon sein (Anmerkung: Ich verwende hier bewusst nicht das Wort „Diversifikation“, das zu einem heiligen Gral in der Finanzbranche erkoren wurde. Leider wird das Prinzip der Diversifikation mittlerweile derartig pervertiert als eine willkommene Entschuldigung für die Unfähigkeit, in die richtigen Werte und Märkte zu investieren. Wer nicht weis, was er kaufen soll, kauft eben alles – aber überdurchschnittliche Ergebnisse sind so kaum möglich).
In den letzten Jahren konnte schon wieder gutes Geld mit Aktien verdient werden. Also, warum sollte man Aktien vernachlässigen? Und, wer meine Artikel liest, der kennt meine bullische Haltung zu den Rohstoffmärkten. Bereits im Jahr 2000 hatte ich in einem Börsenbrief auf die Chancen im Goldminenbereich hingewiesen. Zugegeben, mir war damals nicht ganz wohl bei dieser Empfehlung. Immerhin bin ich mit der in 1982 gestarteten Aktienhausse „aufgewachsen“ und Gold hatte in 2000 eine zwanzigjährige Talfahrt hinter sich. Anleger neigen dazu, eine besonders prägende Erfahrung (das „Gewohnte“) lange fortzuschreiben, bevor sie sich auf eine geänderte Situation einstellen. Übrigens, es ist ein Märchen, dass Aktien real immer nur steigen! Jede Assetklasse hat ihre guten und schlechten Phasen. Seit rund 6 Jahren schlägt nun das Pendel wieder in Richtung Rohstoffmärkte. Schon im letzten Jahrhundert gab es drei Rohstoff-Haussezyklen: 1906 bis 1923, 1933 bis 1953 und 1968 bis 1982. Der jetzige Zyklus startete in 1998/99. Wenn sich die historischen Muster wiederholen, haben wir noch 10 bis 15 gute Jahre vor uns. Aber auch in einer sekulären Hausse gibt es immer wieder Rückschläge. Das ist völlig normal und gesund. Übertreibungen werden abgebaut und bereiten den Boden für den nächsten Aufwärtsschub.
Ja, eine Hausse ist in vollem Gang. Der Rohstoffhunger der aufstrebenden Volkswirtschaften ist enorm. Ob Öl, Metalle oder Agrarrohstoffe, diese Länder scheinen einen unstillbaren Bedarf zu haben. Angebot und Nachfrage sind aus dem Gleichgewicht. Konsequent steigen die Preise.
Aber ich möchte noch einmal auf Ihre Ausgangsfrage zurückkommen: Ja, auch den Aktienmärkten traue ich eine gute Performance zu – mit Einschränkungen. Mein großer Börsenfahrplan für die Aktienmärkte sieht in etwa so aus: Speziell die Jahre 2008 und 2009 sollten sich weit überdurchschnittlich entwickeln. Vermutlich wird es im Jahr 2007 zu einer hervorragenden Kaufgelegenheit kommen, nachdem sich auch in diesem Jahr eine kleinere Gelegenheit bieten sollte. Spätesten in 2010 wird das Börsenklima jedoch sehr rau. Für das Jahr 2014 erwarte ich den Tiefpunkt einer neuen Aktienbaisse. Die Zukunft wird uns den Weg weisen. Solange jedoch meine „Indikatoren“ keine Warnsignale geben, folge ich diesem groben Fahrplan. Falls ich mich irre oder leichte Abweichungen erkennbar sind, werde ich (hoffentlich!) so flexibel sein und mich neu positionieren. Es ist extrem kostspielig, ja manchmal sogar existenzbedrohend, aufgrund des eigenen Egos an der „richtigen“ Meinung festzuhalten, die der Markt offenbar ganz anders sieht.
V.R.: Sie schaffen es seit Jahren mit Ihren Musterdepots den Gesamtmarkt zu schlagen. 2005 haben Sie es sogar geschafft die Creme de la Creme der deutschen Musterdepots hinter sich zu lassen und mit einer Performance um 100% ist Ihr Depot „I2 Power“ kurz nach der Neuaufnahme im Ranking von Boersenwelt.de auf Platz eins in der Jahresendausgabe des Aktionärs gelandet. Interessant an diesem Depot ist, dass immerhin drei der sieben Titel aus dem Rohstoffbereicht stammen und die Depotwerte eigentlich sehr lange Verweildauern im Vergleich zu anderen Musterdepots aufweisen. Mit welchem Ansatz versuchen Sie am Aktienmarkt langfristige Trends zu entdecken und damit Geld zu verdienen?
H.A.: Über den gelungene Aufnahme im Aktionär auf dem 1. Platz habe ich mich natürlich sehr gefreut. Aber ich bin realistisch, dass stellt immer nur eine Momentaufnahme dar. Mir ist es wichtig, kontinuierlich überdurchschnittliche Gewinne bei kalkulierbarem Risiko zu erzielen. Am liebsten investiere ich in „normale“ Wertpapiere oder vergleichbare Substitute ohne spekulativen Hebel. Das „Zocken“ überlasse ich gerne anderen – denn nur wer am wenigsten verliert, wird langfristig am meisten gewinnen.
Ich wähle die Wertpapiere anhand bewährter Methoden und Strategien aus, die ich seit Jahren erfolgreich anwende. Dabei ist es unerheblich, ob die Märkte fallen oder steigen. Die richtigen Handelsinstrumente bieten Gewinnmöglichkeiten in jeder Marktsituation – ob Aktien, Renten, Rohstoffe, Gold oder Devisen. Die Gewichtung erfolgt je nach aktueller Marktlage (Hausse oder Baisse). Die Schwerpunkte werden dort gesetzt, wo die höchsten Renditen bzw. Kursgewinne zu erwarten sind. Es gibt Zeiten, da hält man sich besser von den Märkten fern. In solchen Phasen „parke“ ich bis zu 100% Barmittel. Sobald es an den Märkten gefährlich wird, warne ich meine Leser.
V.R.: Nachdem Sie bereits seit 1998 das freie Finanzportal „Value Stocks“ betreiben, werden Sie nun per 01. Februar den kostenpflichtigen Börsenbrief „Investment Ideen“ auflegen. Nun ist es ja so, dass es in den letzten 24 Monaten eine wahre Schwämme von Börsenbriefen aus der Erde geschossen ist. Was unterscheidet „Investment Ideen“ von der grauen Masse. Was bieten Sie den Anlegern, was es noch nicht gibt? Welche jährliche Performance streben Sie mit Ihren Musterdepots an?
H.A.: In der Tat, jeder interessierte Anleger wird mittlerweile mit einer unüberschaubaren Flut an Informationen und Börsendiensten überschüttet. Bei der Auswahl seines „Lieblingsbörsendienstes“ kann ich nur empfehlen, wenigstens auf bewiesene Seriosität, langjährige Erfolge und Praxiserfahrung zu achten. Zudem muss der Investmentstil zur eigenen Anlegermentalität passen, sonst wird man immer wieder im falschen Moment von Zweifeln überrannt, mit entsprechenden „Kurzschlusshandlungen“.
In meinen Beiträgen fasse ich mich bewusst kurz und gebe nicht „unzählige“ Anlageempfehlungen. Es kommt auf das richtige Chance-/Risikoverhältnis an – und davon gibt es nicht so viele. Immer dann, wenn es die Märkte und die Investments erfordern, informiere ich meine Abonnenten kurz und bündig mit klaren Ratschlägen. Allgemeine Börseninformationen und Nachrichten gibt es reichlich im Internet.
Ein wesentliches Ziel ist das Aufspüren von mittel- bis langfristigen Trends, die über das hektische Tagesgeschäft an der Börse hinausgehen. Dabei setzte ich auf eigenes Research und bilde mir eine unabhängige Meinung. In knapper und prägnanter Form stelle ich diese als Essenz meiner Überlegungen dar. Ich fülle nicht unzählige Seiten. Über meine Musterdepots biete ich kontinuierlich betreute Handelsempfehlungen an, die meiner eigenen Anlagementalität entsprechen. Insofern ist es kein Zufall, dass ich – soweit es meine verfügbaren Mittel zulassen, in den gleichen Werten investiert bin.
V.R.: Erwarten Sie angesichts des aktuellen Medienrummels um das Thema Rohstoffe und den so dermaßen positiven Ausblicken für Gold bereits ein kommendes Zwischenhoch in naher Zukunft?
H.A.: Ich erwarte eine Frühjahrskorrektur. Speziell bei den (Junior-)Goldminen könnte es vorher noch zu weiteren positiven Exzessen kommen. Seit Beendigung der Zwischenkorrektur Mitte Dezember setzte hier eine schon fast parabolisch anmutender Hype ein. Ebenfalls beim Silber. Wer Bestände hat, sollte dabei bleiben und mit einem Trailing-Stopp den Hype ausreizen.
V.R.: Sie haben sich nun auch dazu entschlossen per 1. Januar ein eigenes Rohstoffmusterdepot aufzulegen. Welche Strategie wird in diesem Depot umgesetzt. Verfolgen Sie dort ebenfalls den langfristigen Ansatz wie bei den Aktiendepots oder werden Sie den speziellen Gegebenheiten des Rohstoffmarkts wie Saisonalität etc. Tribut zollen und die Positionen öfters drehen? Welche Anlageformen werden in diesem Depot Verwendung finden? Aktien, Zertifikate, Fonds, Optionsscheine … ? Wird es einen reinen Long-only Ansatz verfolgen oder gibt es auch die Möglichkeit auf Shortspekulationen?
H.A.: Ich habe mich lange dagegen gewehrt, ein Themendepot aufzulegen, denn in den anderen Musterdepots können Rohstoffe berücksichtigt werden. Aber ich folge hiermit der Bitte vieler Leser. Mit geringen Modifikationen wende ich vom Prinzip her die Strategien an, die ich auch sonst in den langjährigen Musterdepots verwende. Der Anlagehorizont ist ebenfalls mittel- bis langfristig orientiert.
Einige Leser haben mich angeschrieben, wann ich denn mein Rohstoff-Depot bestücken wolle. Ich kann deren Ungeduld verstehen. In der Tat befinde ich mich in einem Dilemma: Durch den sich beschleunigenden Anstieg seit Mitte Dezember hat sich im mittelfristigen Zeitfenster das Chance/Risikoverhältnis für „Neuinvestitionen“ erheblich verschlechtert (siehe meine obige Markteinschätzung). Aber ich werde wohl (wenigstens zum Teil) aufspringen müssen. Spätestens in der unweigerlich folgenden Konsolidierung ist dann der Moment für einen sukzessiven und geordneten Einstieg gekommen.
V.R.: Sie sind ja nun auch Portfoliomanager für ein großes deutsches berufsständisches Versorgungswerk und haben dadurch einen sehr detaillierten Einblick in die Anlagevorgänge der großen Player. Welche Rolle spielen Edelmetalle und Rohstoffe bei deren Anlagen?
H.A.: Trotz des gestiegenen Medieninteresses wurden erst vergleichsweise geringe Beträge im Rohstoffsegment investiert – und das ist gleichzeitig die gute Botschaft: Was passiert, wenn nur ein Bruchteil des Kapitals aus den klassischen Aktien- und Rentenfonds umgeschichtet würde?
Als ich vor Jahren mit dem Investmentthema Rohstoffe kam, erntete ich – milde ausgedrückt – sehr viel Skepsis. Das Thema Rohstoffe galt als anrüchig und exotisch – höchstens geeignet für Spekulanten und Hasardeure. Investoren neigen dazu, Märkte zu meiden, an denen man seit Jahrzehnten Geld verloren hat. Viele Anleger glauben gut diversifiziert zu sein, wenn Sie in Anleihen, Immobilien und Aktien investieren. Nur wenige berücksichtigen noch Devisen oder Edelhölzer, aber Rohstoffe als eigenständige Assetklasse?
Das hat sich heute geändert. In den Medien wird nicht nur regelmäßig über Rohstoffe im Allgemeinen berichtet, sondern sogar über spezielle Segmente diskutiert. Damals undenkbar! Vor nicht allzu langer Zeit mussten solche Artikel mit der Lupe gesucht werden. Es findet langsam ein Umdenken statt. Das Interesse bei den Institutionellen ist groß, aber die tatsächlichen getätigten Anlagesummen sind noch minimal. Ich schätze höchstens einige Milliarden (inklusive Rohstoff-Aktien). Aufsichtsrechtliche Hindernisse sind neben der noch vorhandenen Skepsis ein Hauptgrund für diese Zurückhaltung. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass sich das mit weiter steigenden Märkten ändern wird. Hier (sowie bei Privatinvestoren und Publikumsfonds) ist also noch reichlich Treibstoff für die Fortsetzung der Rohstoff-Hausse auf der Reservebank.
V.R.: Vielen Dank, dass Sie sich für dieses Interview Zeit genommen haben.
(Das Interview wurde am 8. Januar 2006 geführt.)