Italien und Griechenland helfen den Börsen [letzte Woche] auf die Sprünge. Die Hoffnung ruht auf den neuen Regierungen in Athen und Rom. In Griechenland leitet zukünftig der ehemalige Vize-Präsident der Europäischen Zentralbank, Lucas Papademos, die Regierungsgeschäfte. In Italien soll der Volkswirt Mario Monti das Zepter übernehmen. Beide sind Wirtschaftsexperten und weniger Politiker. Angesichts der Schuldenprobleme sicher keine schlechte Idee, mehr ökonomischen Sachverstand einzubringen. Bleibt nur zu hoffen, dass die richtigen Maßnahmen zur Krisenbewältigung umgesetzt werden können.
Aber: Substantiell kaum weiter
Der Regierungswechsel ist ein Signal an die Märkte. Mehr nicht. Im Hinblick auf die Lösung der Schuldenkrise sind wir kaum weiter. Immerhin besteht die Chance, dass neue Besen gut kehren und mit alten Gewohnheiten gebrochen wird. Positiv ist, dass die Märkte auf diese Nachrichten mit Kursgewinnen reagiert haben. Die Investoren sind hin und her gerissen zwischen fundamental günstig bewerteten Aktien einerseits, und der Angst vor einer Eskalation der Schuldenkrise andererseits. Verfestigt sich die positive Marktstimmung, sind die fundamentalen Bewertungen Treibstoff für eine Erholung der Aktienmärkte. Die Schuldenkrise tritt in den Hintergrund. Zumindest so lange, bis wir wieder von der Realität eingeholt werden.
Neubesetzung der Europäischen Zentralbank intensiviert lockere Geldpolitik
Wichtiger als der Regierungswechsel erscheint mir die Neubesetzung der EZB-Spitze mit dem Italiener Draghi. Mit ihm haben die Märkte einen mächtigen Verbündeten bekommen. Der frisch bestellte Notenbankchef sorgte gleich in seiner ersten Sitzung für einen Paukenschlag. Er senkte überraschend die Zinsen von 1,5 auf 1,25 Prozent. Damit demonstriert er Handlungsstärke in der Krise. Es folgten sofort weitere Taten. Mit dem Aufkauf italienischer Staatsanleihen wirkte er dem drohenden Schuldenkollaps Italiens entgegen. Er redet nicht nur, er scheint zu allem bereit zu sein, um eine Eskalation zu verhindern.
Pivotereignis „Draghi-Put“
– Grundstein für Aktienhausse?
Das erinnert mich an den ehemaligen US-Notenbankchef Alan Greenspan. Damals sprach man von einem „Greenspan-Put“ für die Aktienmärkte. Immer wenn es an den Aktienmärkten brenzlig wurde, kam die Notenbank zu Hilfe. Sie senkte die Zinsen und sorgte für Liquidität im Überfluss. Bekommen wir jetzt das europäische Pendant eines „Draghi-Put“? Wenn die EZB klar Stellung bezieht, dass sie eine Eskalation der Schuldenkrise in Europa mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen will, kann das tatsächlich der Grundstein für eine Aktienhausse sein.
Schuldenkrise wird ausgeblendet
Man darf natürlich nicht vergessen, dass der „Draghi-Put“ nicht ewig funktionieren kann. Es dürfte jedem klar sein, dass Schulden nur mit neuen Schulden nicht auf Dauer beglichen werden können. Letztendlich würde der „Draghi-Put“ den Politikern mehr Zeit verschaffen, die Ursachen der Probleme endlich anzugehen. Vergleichbar einem Überbrückungskredit wird den säumigen Schuldnern die letzte Chance gegeben, ihre Ausgaben und Einnahmen in den Griff zu bekommen. Wie lange das gut gehen kann, sehen wir seit Jahren in Amerika. Insofern sind Aktienhausse und Schuldenkrise möglich für eine gewisse Zeit.
Quelle: Auszug Investment Ideen vom 13. November 2011